Alte Meister des Metalls und der Mäßigung
Eintrag aus dem „Compendium Creaturarum et Gentium“ – Band IV: Anderlinge und Alte Völker Verfasst von Magister Ludovic Varell, Fakultät für Rassenkunde, Universität Maribor, 1266 n.N.
Herkunft und Geschichte
Die Gnome gelten als das älteste der vernunftbegabten Völker, die jemals den Kontinent besiedelten. Noch vor Zwergen, Elfen und gar Menschen streiften sie durch die frühen Hügel und Berge der Welt, errichteten unterirdische Siedlungen, deren Fundamente bis heute von keinem Menschenauge entdeckt wurden, und verfeinerten Handwerke, von denen andere Rassen später nur lernen konnten.
Trotz dieses beachtlichen Alters sind die Gnome heute eine selten gesehene Spezies. Ihre Abgeschiedenheit, ihre geringe Zahl und ihr Desinteresse an der Machtpolitik der Welt ließen sie über Jahrtausende in relativer Verborgenheit weiterbestehen – als stille Meister der Technik, der Feinmechanik und der Metallkunst.
Erscheinung und Wesen
Gnome ähneln in ihrer Statur zwar den Zwergen, sind aber noch kleiner und körperlich weniger robust. Ihre Gesichter sind von auffällig spitzen Nasen geprägt, ihre Finger flink und präzise. Trotz ihrer zierlichen Erscheinung verfügen sie über eine bemerkenswerte Ausdauer – nicht im Kampf, sondern in der geduldigen Ausübung ihrer handwerklichen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten.
Ihr Temperament unterscheidet sie deutlich von den stürmischen Zwergen: Gnome sind gelassen, analytisch und wenig streitlustig. Im Konflikt suchen sie lieber den Ausgleich als das Schwert, und wo Zwerge zu Donnerwettern neigen, neigen Gnome zu Schweigen – mit nachdenklichem Blick und einem Werkzeug in der Hand.
Kultur und Lebensweise
Gnome leben oft in kleinen Gemeinschaften, bevorzugt in den Bergen von Mahakam oder anderen abgelegenen Gegenden, in denen sie ungestört ihren Studien und ihrer Arbeit nachgehen können. Sie führen ein bescheidenes, aber wohlorganisiertes Leben, geprägt von handwerklicher Perfektion und technologischem Interesse.
Sie sind berühmt für ihre Metallurgie, ihre Feinmechanik, und ihre Erfindungen, die nicht selten ihrer Zeit weit voraus sind. In gnomischen Werkstätten entstehen Gerätschaften, die so filigran wie zuverlässig sind – manche behaupten gar, die erste Armbrust, das erste Druckwerk oder das erste mechanische Schloss seien gnomischen Ursprungs gewesen.
Handwerkliche Meisterschaft
In Schmiedekunst und Metallverarbeitung gelten die Gnome als unerreicht, selbst unter Zwergen. Die legendären Gwyhyrs, Schwerter von unübertroffener Qualität, Schärfe und Ausbalancierung, stammen aus ihren Händen – Werke, die selten sind, unbezahlbar und in den Händen ihrer Träger oft ebenso gefürchtet wie bewundert.
Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass gnomische Schmiede die Kunst des Metalls zur Wissenschaft erhoben haben – und dass viele menschliche oder zwergische Meister ihr Wissen letztlich auf das Schaffen der Gnome zurückführen.
Gesellschaftlicher Stand
Gnome sind – in dem Maße, wie sie überhaupt in menschlichen Städten anzutreffen sind – weniger Opfer von Diskriminierung als andere Anderlinge. Ihre zurückhaltende Art, ihre seltene Präsenz und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit schützen sie vor manchen Vorurteilen. Dennoch führt ihr Mangel an politischem Ehrgeiz auch dazu, dass sie in den Augen vieler Menschen schlicht als **Kuriosität** gelten – exzentrisch, altmodisch oder weltfremd.
Mit Zwergen verbindet sie ein enges Verhältnis, wenn auch mit gewissen Spannungen: Wo der Zwerg laut ist, ist der Gnom leise; wo der eine aufbraust, bleibt der andere kühl. Doch im Streben nach Reichtum, Präzision und Perfektion gleichen sie sich – und arbeiten nicht selten Hand in Hand.
Magie und Weltanschauung
Magie spielt im Leben der Gnome so gut wie keine Rolle. Sie betrachten sie als unzuverlässig, launenhaft und nicht reproduzierbar – und ziehen die Logik, die Technik und das Werkzeug vor. Ihre Nähe zur Alchemie und Mechanik deutet jedoch an, dass ihr Verständnis von Naturgesetzen ebenso tiefgründig ist wie das eines Magiers – nur auf einem anderen Weg.
Bemerkung des Chronisten
„Ein Gnom wird sich nie in den Vordergrund drängen, aber wenn du in der Not ein Werkzeug brauchst, das nicht versagt, eine Klinge, die durch Stahl schneidet wie durch Pergament, oder einen Ratschlag, der auf Weisheit beruht statt auf Wut – dann frage einen Gnom. Er wird dir antworten. Vielleicht. Wenn du höflich genug bist.“
Magister Varell, nach einer Begegnung mit dem Gnom Tibian Quarzbeißer, Uhrmacher zu Oxenfurt
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